Dienstag, 12. November 2013

Drehbuchautor, Regisseur und Kameramann Jens S. Achtert von KREATV über den tragischen Kurzkrimi "Die Diebin - über den Dächern von Stuttgart"

Jens S. Achtert über seine Arbeit mit den Schauspielern, grosse Emotionen in der Werbung und iranische Zeitmaschinen.

Jens S. Achtert ist von Haus aus Werbefotograf und arbeitet als solcher seit 1989 hauptberuflich. 2002 hat er seinen ersten Werbefilm für die Firma FOMA gedreht und auf der photokina in Köln präsentiert. Es folgt die Produktion einer eigenen TV-Serie (Star for One Day) in Kooperation mit SaarTV, zahllose Reportagen, Imagefilme und ein Musikvideo für Roger Whittaker. Seit 2009 konzentriert er sich auf Werbe- und Produktfilme für die Verbreitung im Internet, trotzdem sind seine Arbeiten immer wieder im TV zu sehen - zuletzt seine Reportage über Transphobie mit Balian Buschbaum (Let´s Dance) in Deutschland, die vom japanischen Fernsehen in Auszügen verwendet wurde - oder sein Fashion Film mit Zohre Esmaeli, dem Model aus der Burka.

Kameramann (DoP), Cinematograph, Regisseur und Drehbuchautor
Jens S. Achtert vom KREATV bei der Arbeit.
Warum hast du 2002 mit der Filmerei begonnen?

JSA: Beginnen kann man das nicht nennen, eher eine Wiederaufnahme. Kameraarbeit, theoretische und praktische Grundlagen sowie ein zusätzlicher Kurs in Regiearbeit war bereits Teil meiner Ausbildung an der Johannes Gutenberg Schule in Bad Cannstatt gewesen. 1993 wollte ich zum ersten Mal einen eigenen Film drehen - stilecht auf 16 mm SW Film mit der Arri. Leider oder Gottseidank sind mir damals alle Schauspieler abgesprungen. So schlecht vorbereitet wie ich war, wäre das ein Fiasko geworden. 2002 hatte ich von der Firma FOMA (Hersteller von SW Filmen und SW Fotomaterial) den Auftrag bekommen, einen Werbefilm aus Sicht eines Fotografen für den deutsch-französischen Markt zu produzieren. Dafür hatte ich einen Kameramann engagiert. Nur war der so unfähig, dass mir schnell der Kragen geplatzt ist und ich seinen Part so weit wie möglich übernommen habe - die anschließende Postproduktion habe ich auch selbst gemacht. Da ich einen recht engen Zeitplan hatte und keine Ahnung von digitalem Schnitt, hat mich das einige Nächte und etliches an Nerven gekostet. Die Produktion wurde aber rechtzeitig fertig - und auch wenn man heute über die Auflösung die Qualität nur noch lächeln kann, gelangen mir damals eine wundervolle Arbeit, die einigen langjährigen Profis glatt die Sprache verschlagen haben.

Regisseur Jens S. Achtert mit den Schauspielern Martin Pitt und Andra Kokott
am Set über den Dächern von Stuttgart
Messerscharf sind nicht nur die Dialoge im Film, sondern auch die Diskussionen
mit den Schauspielern über ihre Rollen - Jens S. Achtert mit Andra Kokott und
Martin Pitt in der Diskussion.
 
Bei dieser Produktion hast du das Drehbuch selbst geschrieben, die Regie gemacht und einen großen Teil der Kamera- und Tonarbeit. Ist das nicht ein wenig viel?

JSA: Es ist definitiv zu viel. Bei so einem Kurzfilm geht das aber noch, es ist sogar förderlich, auch wenn´s eine Schinderei ist - eine kommerzielle Produktion hätte ich so aber nicht angepackt. Die Drehbücher meiner letzten Filme habe ich alle selbst geschrieben, da ich einige Autoren wegen der Filmrechte für deren Kurzgeschichten kontaktiert habe und immer eine freundliche, aber bestimmte Absagen von deren Management bekommen habe. Für "Sie ist doch noch hier" hat mich mein Freund und hochverehrter Kollege Willie Thomas von der Hinterhaus Productions aus Berlin gebeten, ein Drehbuch zu schreiben. Das haben wir zusammen verfilmt - eine sehr entspannende Arbeit für mich, da ich mich nur um die Regie zu kümmern hatte und nur ganz, ganz selten eine Kamera angefasst habe. Für meine Werbe- und Produktvideos schreibe ich die Drehbücher - sofern keine von den Kunden gestellt werden - auch selbst. Der Film ist dann schon fertig in meinem Kopf und ich muss ihn nur noch drehen und schneiden. Die Kameraarbeit mache ich echt gerne selbst oder zumindest zum Teil selbst - das ist mir lieber und viel direkter als irgendwo vor einem Monitor zu hocken und Anweisungen zu geben. Die Arbeit mit DSLR und professionellen Camcordern macht es möglich, dass du schnell genau die Winkel und Einstellungen findest, die du für deinen Film haben willst. Beim Dreh von "Die Diebin - über den Dächern von Stuttgart" haben wir das meiste Material mit einer C300 von Canon gedreht, die uns Calumet gestellt hat. Das ist eine wirklich wundervolle Kamera, für die wir von Canon Deutschland die neuen Cinema Objektive bekommen haben - ich kann mir kaum eine bessere Kombination für professionelle Filmarbeit vorstellen. Die Qualität der C300 haben wir auch gebraucht, da wir einen guten Teil der Aufnahmen direkt gegen die Sonne gedreht haben. Aber die Arbeit mit einer solchen Kamera ist etwas völlig anderes als mit einer DSLR oder mit einem Camcorder. "Bloodfight" wurde z.B. bis auf die Szenen am Anfang komplett aus der Hand oder vom Schulterstativ gefilmt - parallel mit DSLR und dem gleichen Camcorder, der für "Crank 2" verwendet wurde, so kann man sehr schnell arbeiten. Die C300 und die Arbeit von Stativ, Slider und Kran hingegen passt perfekt zu dieser klassischen Art von Film.

Die Arbeit mit der Filmkamera C300 von Canon in Verbindung mit
den Cinema Objektiven unterscheidet sich wesentlich von der Arbeit
mit DSLR und Camcordern.

"Die Diebin - über den Dächern von Stuttgart" wird also eine ganz klassische Arbeit werden?

JSA: "Die Diebin" ist jetzt kein innovativer Film im Wackelkamera-Doku-Indie-Style, sondern vom Ansatz her eine grundsolide Arbeit mit einer ganz klassisch geführten Kamera. Es wird ja auch eine ganz klassische Geschichte darüber erzählt wie Gut und Böse mal wieder auf die ultimative Probe gestellt werden, der Hauptteil besteht aus einem einzigen, spektakulären Set und das Duell der beiden Protagonisten erinnert mehr an ein Theaterstück auf der Bühne als an einen Krimi. Der Titel soll bewusst an Hitchchock´s Klassiker "To Catch a Thief - über den Dächern von Nizza" erinnern, ich denke mit einem solchen Film wird man nun keine Innovationspreise gewinnen, aber trotzdem wird es eine ganz spannende Unterhaltung werden, da wirklich alles bis zum Schluss offen bleibt.

Und genau hierin liegt vielleicht das interessanteste und doch ein wenig innovative Element dieses Filmes: die Arbeit mit den Schauspielern war hier das Experiment. Charlie Chaplin hat einmal gesagt "Ich brauche keine interessante Einstellung, ich bin interessant" - nicht, dass die Kameraarbeit einfach gewesen wäre, aber bei einer ganz ruhigen Einstellung vom Stativ arbeitest du den Schauspieler, seine Leistung und seine Darstellung selbst viel stärker heraus als wenn du ihm mit der Kamera auf der Schulter hinterher rennst. Daher habe ich im Vorfeld sehr genau nach den richtigen Darstellern gesucht und mit viel Glück und sehr viel Arbeit eine perfekte Besetzung bekommen, mit der ich relativ intensiv zusammenarbeiten konnte. Einstein hat einmal gesagt "Es ist die größte Dummheit immer alles gleich zu machen und dann Innovation zu erwarten". Meine Innovation in diesem Film war die Arbeit mit den Darstellern.

Regisseur Jens S. Achtert und Schauspieler Martin Pitt bei den Dreharbeiten
zu "Die Diebin - über den Dächern von Stuttgart"

Besprechung am Set mit Maskenbildner Florian Schmidt und "Kommisar"
Martin Pitt - DoP Jens S. Achtert bei der Arbeit.

Diskussion über das Drehbuch zwischen Andra Kokott und
Regisseur Jens S. Achtert - was ist gut, was muss raus...
 Wie genau sah die Zusammenarbeit mit den Schauspielern aus?

JSA: Bei Werbefilmproduktionen arbeitet man meist doch eher oberflächlich mit Schauspielern und Models zusammen. Die müssen vom Typ her perfekt passen und ihren Text gut rüber bringen. Das ist schon schwierig genug, aber nicht wirklich emotional. Ich denke da ändert sich im Moment einiges, die Zuschauern wollen diese Art von digitaler Hochglanz-Werbung nicht mehr sehen - der Wechsel weg vom TV-Gerät hin zum selbst bestimmten Online Programm ist klar gezeichnet. Ja, ich bin der Überzeugung, dass man gerade bei diesen kommerziellen Werbeproduktionen heute ganz, ganz andere Wege gehen muss, um noch erfolgreich zu sein und seine Kunden zu erreichen. Werbefilme, die viel Emotionen transportieren, gerade auch trauriges oder verletzliches verarbeiten, die richtig wie Spielfilme inszeniert sind, die punkten wirklich. Auch ein Grund, warum wir "Die Diebin - über den Dächern von Stuttgart" gedreht haben. Da ist so viel Interesse an unserer Arbeit - und nicht die Ablehnung, die man immer öfters bei klassischen Werbespots erfährt.

Mein Experiment bestand im Schluss des Filmes - der letzten Entscheidung. Im Drehbuch hatte ich zuerst den Schluss selbst offen gelassen, dann 3-4 mögliche Versionen geschrieben, die ich auch verfilmen wollte - und aus denen ich dann das optimale Ende aussuchen wollte. Tatsächlich habe ich mich für eine ganze andere Lösung entschieden. Da wir den größten Teil des Films chronologisch drehen konnten, wollte ich die letztendliche Entscheidung den Schauspielern überlassen. Da sind nun zwei Personen, die ganz konzentriert in ihren Rollen waren, die eine andere Persönlichkeit angenommen haben und die zwei Tage den Text zusammen mit mir durchgegangen sind - immer und immer wieder - und genau diese beiden wollte ich zum Schluss selbst entscheiden lassen wie der Film enden soll. Heraus kam ein Ende, das ich selbst so nie in Betracht gezogen habe - eine ganz, ganz stimmige, dramatische Auflösung, die wahrscheinlich auch den Zuschauer völlig überraschen wird. Dieses Experiment sehe ich schon jetzt als gelungen an - anderes hat nicht ganz so gut funktioniert ....

- Ende Teil 1 des Interviews - den Rest lesen Sie morgen in diesem Blog -

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